Rundbrief zum zweiten Corona-Lockdown

Erneuter Lockdown für den gesamten November 2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

erneut steigt die Zahl der mit Covid 19 infizierten Menschen dramatisch an, und das, obwohl jedem von uns in den vergangenen Monaten bereits intensive Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen auferlegt waren. Diese sind von uns überwiegend umgesetzt und eingehalten worden, aber offensichtlich und leider nicht von allen und überall. So sehen wir uns als Gesellschaft, erst recht aber auch als Politikerinnen und Politiker, in einem Zwiespalt. Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt noch, die jeden Tag deutlicher werdende Bedrohung für unser Gesundheitswesen zu bekämpfen und das Leben vieler Menschen wirksam zu retten, ohne dabei zu stark rechtsstaatliches Handeln über die Freiheit des Einzelnen zu stellen?

 

Dazu gibt es eine breite Diskussion in der Gesellschaft. Fakt ist: Als Leitlinie gilt das Bundesinfektionsschutzgesetz. Laut dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes RLP und des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz, Lars Broker, hat das Parlament keine Möglichkeit, in solch einem Fall unabhängige Entscheidungen zu treffen. Gleichwohl hat sich der Landtag von Rheinland-Pfalz am Freitag, 30.10. 2020, in einer Sondersitzung mit den Beschlüssen der Runde aus der Bundeskanzlerin und den Länderchefs befasst.

 

Selbstverständlich trage ich die Entscheidung der Ministerpräsidentin und unserer Landesregierung voll mit. Dennoch bedeutet es für mich keinen Widerspruch, meine persönliche Einstellung zu einigen aufgeworfenen Fragen, die mich von vielen Selbständigen, Unternehmern, Hoteliers, Gastronomen und Kulturschaffenden erreicht haben, nunmehr zu veröffentlichen:

So empfinde ich es als ungerecht, wenn zwischen Branchen unterschieden wird, die weiter öffnen dürfen oder schließen müssen. Das gilt in besonderem Maße für die Gastronomie, die Hotels und Kulturstätten. Sie alle haben mit großem, zumeist eigenfinanziertem Aufwand wirksame Hygienemaßnahmen und Konzepte umgesetzt und damit erkennbar nicht zur Ausbreitung des Virus beigetragen. Hierfür bedanke ich mich ausdrücklich, denn ich bin dadurch selbst in den Genuss vieler schöner Stunden seit Beendigung des ersten Lockdowns in den verschiedensten Restaurants, Gaststätten sowie in diversen Sehenswürdigkeiten und bei Veranstaltungen gekommen.

 

Genauso gilt mein Dank und größter Respekt allen Lehr- und Kitakräften, die trotz der weitreichenden Maßnahmen nach wie vor unser System am Laufen halten. Diesen Dank erweitere ich ebenfalls gerne auf alle, die in diesen Zeiten tagtäglich  ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit nachgehen, wie etwa Polizei, Feuerwehr, Pflege- und Gesundheitskräfte, Berufskraftfahrer/innen, Post- und Bahnangestellte sowie alle diejenigen, die in den Geschäften, Discountern oder Lebensmittelläden ihren vorbildlichen Dienst verrichten.

 

Doch so sehr ich das Offenhalten von Schulen und Kitas verstehen kann, empfinde ich es als nicht nachvollziehbar, Amateursport für Kinder und Jugendliche im Freien zu verbieten. Viele dieser Kinder sind jeden Tag in Bussen und Bahnen oder gemeinsam auf dem Weg zur Schule unterwegs.

 

Andererseits ist die Tatsache erfreulich, dass nun – anders als beim ersten Lockdown - auch Soloselbstständige eine Entschädigung erhalten sollen. Diese Maßnahme zugunsten der zur Schließung gezwungenen Unternehmen und Einrichtungen in Höhe von bis zu 75 Prozent der Umsätze aus dem November 2019 erscheint mir unter den gegebenen Bedingungen durchaus angemessen. Allerdings sehe ich den bürokratischen Aufwand zur Berechnung und Auszahlung der doch überwiegend dringend benötigten Beträge als sehr problematisch an. Hier brauchen wir ein Bundes-Konzept, das aufzeigt, mit welchen personellen Kräften diese Herkulesaufgabe zeitnah gestemmt werden soll. Es ist einfach, zehn Milliarden seitens des Bundes zu versprechen, wenn die Länder dann mit der kurzfristigen Umsetzung und Auszahlung betraut werden. Hier fehlt sowohl das entsprechend qualifizierte Personal als auch ein Plan, wie diese Entschädigungen rasch und unbürokratisch ausgezahlt werden können.

 

Dennoch unterstütze ich den Versuch der Politik (auf Bundes- und auf Länderebene), aktiv etwas gegen die auf uns zurollende Gesundheitskatastrophe zu tun. Da es erkennbar sehr schwer ist, eine für ganz Deutschland einheitliche Maßnahme zu finden und zu beschließen, erscheint mir der bundesweite November-Lockdown trotz der erneuten Einschränkungen als so empfundener Rettungsanker, der zumindest geeignet sein könnte, das Schlimmste zu verhindern.

 

Doch wird dieser Lockdown meines Erachtens das Problem nicht an sich lösen. Deshalb müssen die bevorstehenden vier Wochen nun intensiv genutzt werden, um zielgerichtete und wirksame Mittel und Wege zur Eindämmung der Pandemie zu finden, zu organisieren und durchzusetzen. Das gilt insbesondere auch im privaten Bereich, wo offensichtlich viel zu häufig mit Ignoranz und unvorstellbarem Leichtsinn Feiern und Zusammenkünfte abgehalten werden. Gleichwohl halte ich eine bereits diskutierte massive Kontrolle durch den Staat im privaten Bereich verfassungsrechtlich für äußerst bedenklich und unverhältnismäßig.

 

Am Rande: Wie gerne hätte ich selbst dieser Tage mit politischen Weggefährten, Freunden und Bekannten meinen bevorstehenden, „runden“ Geburtstag gefeiert. Allerdings habe ich mich bereits vor Monaten von diesem Gedanken schweren Herzens verabschiedet. Und Gleiches gilt für mein seit nunmehr vier Jahren stattfindendes Abschlussevent mit Besuchern aus dem Westerwald anlässlich des Mainzer Weihnachtsmarktes, welches ich bereits im Sommer aufgrund einer schon damals zu befürchtenden 2. Welle abgesagt habe. Am 30.10. wurde nunmehr bekannt, dass der Weihnachtsmarkt in Mainz wie auch in anderen Städten in diesem Jahr erst gar nicht stattfinden wird.

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Ziel dieses November-Lockdowns ist es jetzt offensichtlich, die Kontakte der Menschen untereinander um etwa 75 Prozent zu reduzieren. Das könnte der weiteren Ausbreitung des Virus die Dynamik nehmen und unser Gesundheitssystem entlasten. Sicher wissen wir es natürlich nicht. Deshalb ist es eigentlich zwingend notwendig, so wie Verfassungsrechtler Prof. Dr. Friedhelm Hufen es vorschlägt, „möglichst genau zu klären, woher die Gefahr kommt und gezielt die nötigen Maßnahmen zu ergreifen“.

 

Für mich bedeutet das: Das uns auferlegte Opfer des November-Lockdowns ist der letzte Versuch, mit der Solidarität aller das Virus zu stoppen. Alles, was außerhalb der eigenen vier Wände Spaß machen könnte, wird quasi eingeschränkt. Als eine Person, der Freiheit über alles geht, wird es mir ebenfalls schwerfallen, alle Einschränkungen zu befolgen. Doch sehe ich die Notwendigkeit dazu ein.

 

Es muss aber ebenfalls klar sein, dass wir ab Dezember für alle Menschen und die gesamte Wirtschaft wieder grundsätzliche Bewegungs- und Handlungsfreiheit brauchen, wenn sie sich an die Schutzvorschriften halten. Damit sind dann auch die vielfältigen Hygienemaßnahmen etwa der Gastronomie, der Hotellerie und auch der Kulturschaffenden keineswegs vergeblich. Vielmehr kommen sie in den folgenden Wintermonaten voll zur Geltung und tragen dazu bei, das Virus nicht ungehindert weiter zu verbreiten.

 

Bleiben Sie vor allem gesund!

 

Mit den besten Grüßen aus dem Homeoffice,

 

Ihr

Thomas Roth MdL 

 

FDP-Landtagsfraktion

Europapolitischer Sprecher

Rechtspolitischer Sprecher

Sprecher für Familie, Jugend,

Integration und Verbraucherschutz

Sprecher für Wissenschaft,

Weiterbildung und Kultur